29.06.2016

Bundestag ebnet den Weg für die Digitalisierung der Energiewende

Der Bundestag hat in der vergangenen Woche die Gesetze zur Weiterentwicklung des Strommarktes und zur Digitalisierung der Energiewende beschlossen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von der größten Reform des Strommarktes seit der Liberalisierung in den 1990er-Jahren: „Mit dieser Reform machen wir den Strommarkt fit für wachsende Anteile erneuerbarer Energien. Deutschlands Stromversorgung wird so kostengünstig und verlässlich bleiben, gerade und erst recht wenn zunehmend Wind- und Sonnenstrom das Marktgeschehen bestimmen.“ Das Strommarktgesetz hat den Strommarkt 2.0 zum Ziel, getrennt vom Strommarkt soll es aber auch eine Kapazitätsreserve geben. Wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mitteilt, werden etwa 13 Prozent der Braunkohlekapazitäten stillgelegt beziehungsweise in eine Sicherheitsbereitschaft überführt.

Digitalisierungsgesetz verpflichtet zur Umrüstung auf digitale Stromzähler

Im Zentrum des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende steht die Einführung intelligenter Messsysteme. Sie sollen nach dem Willen des Gesetzgebers als sichere Kommunikationsplattform das Stromversorgungssystem energiewendetauglich machen. Konkret bedeutet dies, dass bis zum Jahr 2032 mechanische Stromzähler durch elektronische Zähler ersetzt werden sollen. Außerdem sollen die Haushalte in Deutschland mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden. Verpflichtend ist der Umbau ab einem Jahresverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden. Die übrigen Haushalte sollen ab 2020 umgerüstet werden. Dabei hat der Gesetzgeber eine Preisobergrenze von 100 Euro in das Gesetz aufgenommen, die Bürgerinnen und Bürgern je nach Verbrauch jährlich entstehen können.

Das Gesetz macht laut BMWi den Stromsektor zum Vorreiter beim Entwurf neuer, innovativer Geschäftsmodelle. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisiert jedoch, dass die Verantwortung der Verteilnetzbetreiber für die Datenaggregation an Millionen von Messstellen auf die Übertragungsnetzbetreiber übergehen soll.

Strommarktgesetz:

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes hat der Bundestag ein weiteres Gesetz für die Umsetzung der Energiewende beschlossen. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Versorgungssicherheit in der Stromversorgung sowie die Synchronisierung von Einspeisung und Verbrauch in der Übergangsphase des Strommarktes weg von der Kernenergie hin zu erneuerbaren Energien gewährleisten. Dazu wird jetzt eine Kapazitätsreserve eingeführt, die laut Bundesregierung zum Einsatz kommt, „wenn trotz freier Preisbildung an der Strombörse kein ausreichendes Angebot existiert, um einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu ermöglichen“. Erzeugungskapazitäten sollen außerhalb des Strommarkts vorgehalten und bei Bedarf eingesetzt werden. Die Reserve soll technologieneutral sein und wettbewerblich ausgeschrieben werden.

Um gleichzeitig das nationale Klimaschutzziel für 2020 zu erreichen, sollen dem Gesetz zufolge ab 2016 Braunkohlekraftwerke schrittweise aus dem Netz genommen und zunächst vorläufig stillgelegt werden. Vorübergehend soll auf diese Kraftwerke als letzte und befristete Absicherung der Stromversorgung zurückgegriffen werden können – „wenn es wider Erwarten trotz freier Preisbildung am Strommarkt nicht zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt, zum Beispiel bei nicht vorhersehbaren extremen Wettersituationen“, wie die Bundesregierung schreibt. Nach Ablauf dieser Sicherheitsbereitschaft sollen die Kraftwerke endgültig stillgelegt werden. Für die Sicherheitsbereitschaft und die Stilllegung sollen die Kraftwerksbetreiber eine Vergütung erhalten.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht die neuen Regelungen kritisch. War es bislang vorgesehen, die Netzreserve über eine Ausschreibung um zwei Gigawatt neue Gaskraftwerke in Süddeutschland zu erweitern, sollen die Übertragungsnetzbetreiber nun anstatt dessen eigene Erzeugungsanlagen, so genannte Netzstabilitätsanlagen, für die Übergangszeit zwischen vollständigem Atomausstieg im Jahr 2021 und dem voraussichtlich im Jahr 2025 abgeschlossenen Netzausbau errichten und betreiben. Die Anlagen werden außerhalb des Marktes eingesetzt und danach stillgelegt. Die erzielten Erlöse sollen netzentgeltreduzierend wirken. Die Anlagen dürfen aber erst errichtet werden, wenn ab dem Jahr 2021 netztechnischer Bedarf besteht. Diesen Umstand müssten die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) selbst ermitteln und durch die BNetzA bestätigen lassen. VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche bemängelt: „Der fehlende Netzausbau behindert die Energiewende und verursacht an vielen Stellen Probleme, die eine stärkere Regulierung nach sich ziehen. Darunter leiden die Erzeuger. Die Regelung, dass Übertragungsnetzbetreiber nun selbst Anlagen bauen und betreiben dürfen, treibt dies auf die Spitze. Denn damit wird ein Teil der wettbewerblichen Erzeugung in den regulierten Bereich des Netzbetriebs überführt.“

Quellen: BMWi, stadt+werk, iwr, pv magazin